Mitten im Herzen Stuttgarts existiert seit beinahe 100 Jahren ein Stück begehbare Historie – seit 1929 ist die als „Stuttgarts schönste Schräge“ bezeichnete Seilbahn schon in Betrieb und noch immer voll in das VVS-Netz eingebunden.
Im 20-Minuten-Takt befördert die zwei Wagons umfassende Standseilbahn jährlich knapp 150.000 Passagiere zwischen der Talstation in Heslach und dem Degerlocher Waldfriedhof. Obwohl sie als Linie 20 offiziell Teil des Öffentlichen Nahverkehrs ist und mit allen entsprechenden Tickets frei genutzt werden darf, wird beim ersten Anblick der Bahn klar, dass es sich hierbei nicht um eine klassische Liftanlage handelt.
Die Geschichte der Bahn
Die 1986 als Kulturdenkmal geschützte und seit 2004 aufwendig sanierte Bahn entspricht noch immer allen behördlichen Sicherheitsanforderungen – und sieht dabei aus, als sei sie einem vergangenen Jahrhundert entsprungen. Die beiden Teakholzwagen verfügen zwar über beheizte Sitze und LED-Leuchtröhren, verbinden diese modernen Annehmlichkeiten aber stilvoll mit einem historisch akkurat restaurierten Innenleben.
Das laute Knacken, wenn sich die Bahn polternd in Bewegung setzt, um die mit 28,2 % steilste Schienenstrecke des SSB-Netzes zu erklimmen, und die Hinweisschilder, die das eigenmächtige Öffnen der Türen auf freier Strecke wegen Lebensgefahr verbieten – das Fahrerlebnis verdeutlicht die Symbiose zwischen Heutigem und Vergangenem.
Der besondere Charme
Auf halber Strecke kommen die beiden Kabinen einander ganz nah, als würden sie sich flüchtig begegnen, bevor sie in entgegengesetzten Richtungen weiterfahren. Dieser Punkt ist mehr als eine technische Notwendigkeit: Es ist der Moment, in dem die Zugkraft am ausgeglichensten ist und beide Kabinen die gleiche Energie aufwenden müssen, um voranzukommen.
Man kann darin mehr erkennen als eine technische Formalie – es ist ein Sinnbild für Zusammenarbeit und gegenseitige Abhängigkeit. Auch wenn die Begegnung der Kabinen nur einen Bruchteil der Fahrt ausmacht, ist sie doch das Herzstück des Erlebnisses. Das hölzerne Ambiente in Verbindung mit der Gewissheit, dass der eine Zug ohne den anderen nicht fahren könnte, sie sich aber niemals treffen werden, sorgt für ein bittersüßes Gefühl und den Nachgeschmack von einem Zug Romantik.
Ein Beitrag von Alessio Ligori, Tobias Johann, Rosalie Stadel, Ole Truckenmüller, Jeremias Hiekisch