Stammheim – in Stuttgart ganz oben

Stuttgart zeichnet sich nicht nur durch Königstraße, Karlshöhe, Killesberg und Co., sondern auch durch seine unterschiedlichen Stadtbezirke aus. Dabei nimmt Stammheim als nördlichster Stadtbezirk mit seinem dörflichen Ambiente eine besondere Stellung ein.

Wenn der Begriff Stammheim fällt, dann meist in Verbindung mit dem dort beheimateten Gefängnis. Dieses kam Mitte der 1970er Jahre zu zweifelhaftem Ruf als dort die Köpfe der linksextremistischen Roten-Armee-Fraktion (RAF) inhaftiert waren. Jedoch ist Stammheim viel facettenreicher.

Dorf mit Stadtbahnanschluss

Ein Gang durch Stammheim lässt Außenstehende nicht auf Anhieb darauf schließen, dass sie sich eigentlich in einer Großstadt befinden. So spricht Stammheims Bezirksvorsteherin Susanne Korge von ihrem Stadtbezirk gerne auch als „Dorf mit Stadtbahnanschluss“. Die gelben Bahnen prägen das Ortsbild, verkehren sie doch über Stammheims Hauptstraße, die Freihofstraße.

Den Ortskern Stammheims bilden unter anderem die mittelalterliche Johanneskirche und das Schloss Stammheim, samt Schloss Scheuer. Während die Kirche noch heute ihren ursprünglichen Zweck dient, beherbergen Schloss und Schloss Scheuer heute ein Pflegeheim, beziehungsweise das örtliche Bürgerhaus. Beim Schlendern durch Stammheims Straßen wird klar, was Susanne Korge mit der Bezeichnung „Dorf“ meint: Man kennt und grüßt sich. Ab und zu fährt ein Traktor die Straße entlang. Szenen, die man in einer Großstadt eher nicht erwarten würde.

Auch politisch zeigt sich, dass die Stammheimer immer etwas konservativer wählen als der Stuttgarter Durchschnitt. In Stammheim schneidet die CDU traditionell besser, die Grünen tendenziell schlechter als im städtischen Gesamtvergleich ab.

Essen und Erleben in Stammheim

Kulinarisch ist das Angebot in Stammheim überschaubar, trotzdem verdient es eine Erwähnung: Direkt an der Endhaltestelle der Stadtbahn befindet sich das Eiscafé Diana, das im Sommer immer gut besucht ist. Außerdem finden sich im Ortskern zwei Bäcker, einer davon mit türkischen Spezialitäten. Etwas außerhalb des Ortes bieten die „Stuttgarter Alm“ und die „Pizzeria da Giò“ qualitativ hochwertige schwäbische beziehungsweise italienische Küche zu angemessenen Preisen an.
„Erleben“ erweist sich in Stammheim schon deutlich schwerer, insbesondere für jüngere Erwachsene gibt es wenige Angebote. Dabei bildet die Paintball-Anlage „PowerPaint“ eine Ausnahme.

Solitude-Allee

Vom Symbol absolutistischer Herrschaft zur beliebten Spazier- und Radfahrroute, so kann die Geschichte der Solitude-Allee zusammengefasst werden. Die annähernd schnurgerade Straße verläuft vom gleichnamigen Schloss im Westen Stuttgarts zur ehemaligen Residenzstadt Ludwigsburg. 1764 als exklusive Verbindung für Herzog und Hofstaat geplant, wurde sie ab 1818 für erste Landvermessungen genutzt. Während dem Volk in den Anfangsjahren das Betreten der Allee unter Strafe verboten war, erfreut sich die Strecke heute umso intensiverer Nutzung. Sie eignet sich als Spazierroute, da sie in den meisten Abschnitten für den Autoverkehr gesperrt ist. Außerdem verläuft sie abwechselnd durch Wald- und Freiflächen. Info-Punkte zur Geschichte der Allee und der Landbegrenzung säumen die Strecke. Abgeschlossen werden kann ein solcher Spaziergang in einem der Stammheimer Restaurants, zu denen auch die „Alte Hofkammer“ gehört. Diese befindet sich am südlichen Ende des Stammheimer Teils der Allee. Sie bietet gutbürgerliche Küche zu fairen Preisen.

Stammheim bildet somit ein klares Gegenbild zu den Eindrücken von Stuttgart, die man auf Instagram oder im Reiseprospekt bekommt. Kurzgesagt: Stammheim hat seinen Charme und ist einen Besuch sicher wert.

Autor: Lorenz Fink